Gigathon 2000
(Bergell - Zürich, Samstag 15. Juli 2000
Die Vorgeschichte
Im Juli 1999 fasste ich den Entscheid:
In zwölf Monaten werde ich am Gigathlon 2000 mitmachen und ihn alleine bestreiten.
Der Grund für diesen Entscheid war einfach:
- Die Kurzstrecken, die ich während fast fünf Jahren vor allem aus Fitness-Gründen trainierte, konnten mich nicht mehr so richtig zufrieden stellen. Nach dem Training war ich normalerweise nicht müde und hatte jeweils Lust auf mehr. Also musste ich auf die Langstrecken wechseln. Eine echte Herausforderung musste her, eben die Teilnahme am Gigathlon.
Einige Hindernisse gab es schon noch zu nehmen:
- Bis Mitte 1999 fuhr ich nur Mountain-Bike. Ich hatte grossen Respekt (und übrigens heute auch noch), mit dem Rennvelo auf die stark befahrenen Strassen zu gehen. Ich wusste aber, dass bei einer Teilnahme das Rennvelo ein "Muss" war. (Heute fahre ich ebenso gerne Rennvelo wie Mountain-Bike.)
- Ich konnte kaum schwimmen, war ein schlechter Brustschwimmer und ging fast nie ins Wasser. Also musste ich mir in einem Jahr eine gute Crawltechnik antrainieren. Denn schliesslich musste von Lachen nach Rapperswil geschwommen werden (3,5 km).
Mein Kollege Urban Schumacher, der spätere Sieger des Gigathlon 2000, gab mir sehr viele nützliche Tipps im Zusammenhang mit:
- dem Training
- der Ernährung
- der Psyche
- dem Material
Eines habe ich während des Vorbereitungsjahres gemerkt: Es spielt gar keine Rolle, ob man in der Berufswelt, im Betrieb oder im Sport (ehrgeizige) Ziele anstrebt: Die Mechanismen sind genau die gleichen.
Ergebnisse
Erlebnisbericht
Am Tag vor dem Start
Die Nacht vor dem Wettkampf ist eine Plage. Schlafen ist nicht möglich, der Wetterbericht ist miserabel, und es ist nicht einmal sicher, ob die Wettkämpfer über den 2300 m hoch gelegenen Septimerpass können. Die Schneefallgrenze liegt auf 1500 m und für die Nacht sind Schneefälle angesagt.
Der Nordföhn macht's möglich! Der Himmel ist vor dem Start fast klar, die Temperaturen entgegen den Prognosen angenehm - die Stimmung bei den Athleten steigt.
Mountainbike-Strecke
Die Mountainbike-Strecke ist ein Genuss. Auf alten Säumerpfaden aus der Römerzeit geht’s über den Septimer-Pass. Die letzten paar Kilometer im Schneematsch. Die Abfahrt auf breiten Feldwegen nach Bivio und dann nach Savognin ist der Traum jedes Bikers! Einfach unbeschreiblich.
Rennvelostrecke
Die Begeisterung nimmt bald einmal ihr Ende, da ab Tiefencastel der Dauerregen einsetzt. Lenzerheide 4 Grad, starker Wind und schlechte Stimmung. Die Abfahrt nach Chur ist gefährlich, da die Strasse nass ist und die Hände kalt sind.
Die trockenen Kleider, die ich ab Chur anziehe, führen trotz des heftigen Gegenwindes zu einer gewissen Motivation. Die Selbstgespräche nehmen mit zunehmender Renndauer zu: "Du hast seriös trainiert, dich fast ein Jahr lang auf dieses Ereignis vorbereitet, ..... es kann nicht schief gehen, ..... es chunt guät, ..... es muss gut kommen........."Über den steilen Luzisteig und den Kerenzerberg regnet es sintflutartig. Die gezielte Vorbereitung, das harte Training zahlen sich jetzt aus: Niederurnen ist in Sicht.
Inline Skating
Es regnet unaufhörlich! Wir fahren durch Pfützen und der Strassenbelag ist teilweise schlecht. Skaten macht nicht Spass wie im Training.
Nicht zu sehr forcieren, auf keinen Fall unnötige Risiken eingehen, ein Sturz könnte das Aus bedeuten. Mental baue ich mich für die Schwimmstrecke auf.Jogging statt Schwimmen)
Aufregung in Lachen: Die Rennleitung hat beschlossen, wegen des nur 15 Grad kalten Seewassers, Schwimmen durch Joggen nach Rapperswil zu ersetzen.
Erschöpft und ausgekühlt angekommene Schwimmer, die auf der Bahre in Folien verpackt ins Sanitätszelt gebracht wurden, hatten zu diesem Entscheid geführt. Ein vernünftiger Entscheid!
Kaum zu glauben: Kurz vor Rapperswil guckt die Sonne hinter den Wolken hervor - sie scheint einem auf den Körper. "Mensch tut diese Wärme gut."
Marathonstrecke
Rund 1/3 der Teilnehmer (Singles), die alle 5 Disziplinen bestreiten, sind bereits ausgeschieden.
Langsam aber sicher, scheint der Traum von der Zielankunft Wirklichkeit zu werden - allerdings stehen noch rund 42 km vor uns.
"Alles ist möglich, aber es chunt guät......, dem Körper regelmässig Energie und Wasser zuführen - auf keinen Fall frieren."
Mit der synthetischen Kohlenhydratpaste aus der Tube und den Power Bars und anderem mehr im Blut steigt die Stimmung. "Durchhalten, durchhalten, es chunt guät....".
Alle Athleten klagen über die gleichen Leiden und erzählen sich, was sie sonst so machen, wenn sie nicht gerade Sport treiben. Nach dem Pfannenstiel, dem höchsten Punkt der Laufstrecke, beginnt die Vorfreude auf die Ankunft stark zu steigen. Die restlichen Kilometer geht es nur noch bergab. Mittlerweile ist es stockfinster und es beginnt wieder zu regnen. Viele haben ihren eigenen Begleiter, der mit dem Velo voraus fährt und mit seiner Lampe nach Hinweistafeln sucht.
Der letzte Kilometer vom Irchelpark zum Hallenstadion wird zum Gigaerlebnis - zu einem Höhenflug. Die Müdigkeit und die Schmerzen sind weg oder vergessen.
Am Ziel: Hallenstadion Zürich
Es ist 01:30 Uhr in der Nacht. 19 Stunden und 30 Minuten nach dem Start bin ich am Ziel. Auf der grossen Leinwand im (noch alten) Hallenstadion leuchtet der Name des einlaufenden Athleten mit seiner Zeit auf. Die Familie, Freunde, Kollegen und auch meine beiden Begleiter, Reto und Gabriel sind am Ziel dabei. Gänsehaut am ganzen Körper - ein grosser Stolz macht sich im Kopf breit. Unwahrscheinlich, was der Köper bei gezieltem Training alles fertigbringt. Das Gefühl ist unbeschreiblich, kann mit nichts anderem verglichen werden, aber eines ist sicher - es macht süchtig.